Geschlechtersensible Medizin - ein wichtiger Baustein des Gesundheitssystems
Von Risikofaktoren und Symptomen über Krankheitshäufigkeit und -verlauf bis hin zur Medikamentenverträglichkeit: In vielen Bereichen der Medizin bestehen große Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Frauen haben oft andere Krankheits-Symptome und brauchen häufig andere Therapien als Männer. Will man Männer und Frauen ihrem Geschlecht entsprechend wirkungsvoll behandeln, ist es wichtig, diese Unterschiede zu kennen und auch zu berücksichtigen.
Neue Stiftungsprofessur mit Vorbildcharakter
Der von Professorin Ute Seeland besetzte neue Lehrstuhl für Geschlechtersensible Medizin an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg, der von der Margarete-Ammon-Stiftung finanziert wird und Anfang März 2024 seine Arbeit aufgenommen hat, ist die bundesweit erste Professur für Geschlechtersensible Medizin in Vollzeit mit klinischer Anbindung.
Wachsendes Bewusstsein für Notwendigkeit geschlechtersensibler Medizin
Das weibliche Geschlecht ist in Studien häufig unterrepräsentiert, so dass die Wirkung von Medikamenten und Therapien bei Frauen oft unzureichend erforscht wird. Frauen einzubinden, gilt als kompliziert, da ihre Reaktionen auf Medikamente hormonell bedingt variieren können. Mittlerweile wächst aber das Bewusstsein dafür, dass es wichtig ist, Diagnose, Therapie und Prävention an die unterschiedlichen hormonellen Phasen anzupassen. Der Lehrstuhl wird diesbezüglich einen wichtigen Beitrag leisten.
Klinische Anbindung von entscheidender Bedeutung
„Besonders wichtig ist es mir, das bisher theoretische Fachwissen in die klinische Praxis zu bringen, um eine geschlechtersensible personalisierte Medizin für alle Geschlechter anbieten zu können und den ärztlichen Nachwuchs zu fördern“, so Seeland. Im Rahmen dieses innovativen Konzepts wird sich die Gendermedizinerin nicht nur auf Lehre und Forschung konzentrieren, sondern auch eine Ambulanz für Prävention und Geschlechtersensible Medizin aufbauen. Magdeburg bietet die einmalige Möglichkeit, interdisziplinär sowohl mit Ärzt/innen aus den Grundlagenwissenschaften als auch mit den klinisch Tätigen und etablierten Forschungsverbänden wissenschaftlich und klinisch zu arbeiten. Ein Schwerpunkt des Lehrstuhls liegt derzeit in der Erforschung der geschlechterspezifischen Ursachen von Bluthochdruck.
Nachhaltiger Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung
Die bundesweite Erstbesetzung einer solchen Vollprofessur mit klinischer Anbindung für das Fachgebiet Geschlechtersensible Medizin ermöglicht es, einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und zur Förderung der Chancengleichheit zu leisten. Die Arbeit von Professorin Seeland wird nicht nur den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis maßgeblich vorantreiben, sondern auch das Bewusstsein angehender Ärzt/innen für die gesellschaftliche Relevanz dieser Thematik schärfen.
Margarete Ammon – Einsatz für mehr Chancengleichheit
Die Möglichkeit, Magdeburg als ein Zentrum für Geschlechtersensible Medizin aufzubauen und innovative Ansätze für eine gerechtere und individuellere Gesundheitsversorgung entwickeln zu können, ist nicht zuletzt unserer 2022 verstorbenen Stifterin Margarete Ammon zu verdanken. Sie erkannte schon in den 1980er Jahren die enorme Bedeutung der geschlechtersensiblen Medizinforschung. Frau Ammon war überzeugt, dass wir nur, indem wir Unterschiede berücksichtigen, Krankheiten verhindern und unsere Lebensqualität steigern können. Sie hat sich ein Leben lang für mehr Gerechtigkeit in der Medizinforschung eingesetzt und es war ein großes Geschenk, dass sie die Zusage aus Magdeburg für die Etablierung des Lehrstuhls für Geschlechtersensible Medizin noch erleben durfte.
Prof. Dr. med. Ute Seeland – ausgewiesene Expertin
Prof. Dr. med. Ute Seeland wurde in Berlin geboren. Ihr Studium der Humanmedizin absolvierte sie an den Universitäten Berlin, Marburg und Göttingen. Im Anschluss konnte sie als Postdoc mit einem Lise-Meitner-Stipendium an den Universitäten Köln und des Saarlandes in Homburg/Saar ihre Kenntnisse in den Grundlagenwissenschaften und der Klinik vertiefen. Die Promotion erfolgte 1999 an der Universität Marburg. Für Ihre Forschungsarbeiten erhielt sie zahlreiche Preise, u.a. den Wissenschaftspreis des Deutschen Ärztinnenbundes, der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und eine Anerkennung von der European Society of Cardiology für ihre Arbeit an den Leitlinien zu kardiovaskulären Erkrankungen in der Schwangerschaft. Seeland ist Fachärztin für Innere Medizin und habilitierte 2021 für das Fach Innere Medizin/Geschlechtersensible Medizin an der Charité- Universitätsmedizin Berlin. Sie ist Mitglied mehrerer nationaler und internationaler Fachgesellschaften, darunter auch die Deutsche Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Medizin e.V. (DGesGM®), wo sie seit 2021 den Vorsitz innehat. Dr. Seeland wechselte im März 2024 aus ihrer Position als Wissenschaftlerin und Expertin für den Teilbereich Geschlechtersensible Medizin am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité-Universitätsmedizin Berlin an die Universität Magdeburg.
In den Medien
Magdeburg: Geschlechtersensible Medizin an der Uniklinik
(Radio Saw, 08.03.2024)
Der männliche Patient ist immer noch der Standard
(Pharmazeutische Zeitung, 08.03.2024)
Weltfrauentag: Bundesweit erste Professur für geschlechtersensible Medizin
(Deutschlandfunk, 08.03.2024)
Schenkt die Medizin Frauen zu wenig Beachtung?
(SZ, 07.03.2024)
Prof. Ute Seeland erhält Professur für geschlechtersensible Medizin
(Thiema, 06.03.2024)
Ute Seeland bringt Expertise in geschlechtersensibler Medizin nach Magdeburg
(Ärzte Zeitung, 01.03.2024)
Frauen erkranken anders als Männer: Neue Stiftungsprofessur
(Zeit online, 01.03.2024)