Tumorerkrankungen sind mit ca. 240.000 Fällen pro Jahr in Deutschland nach Herz-Kreislauferkrankungen die zweithäufigste Todesursache und beide Krankheitsfelder waren für mehr als 60% der ca. 940.000 Todesfälle in Deutschland verantwortlich (statista.de). Es besteht daher trotz der bisher erzielten Erfolge ein großer Handlungsbedarf für neue Entwicklungen bei Diagnostik und Therapie.
Die Sektion für Experimentelle Onkologie und Nanomedizin (SEON) des Universitätsklinikums Erlangen hat es sich daher unter der Leitung von Prof. Dr. med. Christoph Alexiou (Oberarzt an der HNO-Klinik und Else Kröner-Fresenius-Stiftungsprofessor) zur Aufgabe gemacht super-paramagnetische Nanopartikel, sogenannte SPIONs, so herzustellen, dass sie v.a. in der Onkologie aber auch bei anderen Krankheiten, wie Arteriosklerose, als Wirkstoffträger eingesetzt werden können. Es ist das Ziel, SPIONs so zu entwickeln, dass sie zusammen mit den Wirkstoffen nach der Verabreichung bei Patienten mit externen Magnetfeldern in der zu behandelnden Körperregion gezielt angereichert werden können. Somit soll die Effizienz der Behandlung erhöht und gleichzeitig die Nebenwirkungen z.B. einer Chemotherapie stark verringert werden. Diese Technik nennt man Magnetisches Drug Targeting oder kurz MDT. Dabei liegt ein besonderer Fokus der Arbeiten von SEON neben der Wirksamkeit auch auf der Patientensicherheit.
Die Herausforderungen bei der Entwicklung von SPIONs, die für die Verwendung am Menschen gedacht sind, gestalten sich vielfältig. Neben einer hohen kolloidalen Stabilität im Blut und hervorragender Biokompatibilität der Partikel, müssen die Wirkstoffe nicht nur an die Oberfläche gebunden, sondern auch wieder freigesetzt werden können und sie dürfen dabei ihre magnetischen Eigenschaften nicht verlieren. Außerdem muss der Syntheseprozess für die spätere klinische Anwendung am Menschen hochskalierbar und unter pharmazeutischen Qualitätsbedingungen (GMP) durchführbar sein.
SEON hat dabei schon beachtliche Erfolge erzielt. In der weltweit größten Tierstudie zur Therapieform des MDT konnte das Team um Prof. Alexiou zeigen, dass bei einem Tumormodell in Kaninchen mit Hilfe der magnetischen Anreicherung ca. 30-mal mehr Wirkstoff im Tumorgebiet deponiert werden konnte, als es mit der klassischen intravenösen Gabe möglich war. Dies führte nach einer einzigen Anwendung bei 30% der tumortragenden Tiere zu einer kompletten Rückbildung und bei weiteren 30% zu einer starken Verzögerung des Tumorwachstums. Dies gelang, obwohl in dieser Studie nur 5% bzw. 10% der üblichen Chemotherapie-Dosierung in den Versuchsgruppen des MDT verwendet wurden.
Es gelang auch ein erster Upscaling-Schritt der in dieser Studie verwendeten Nanopartikel vom Labormaßstab in den 2L-Maßstab in einer pharmazeutischen Umgebung und mit pharmazeutisch zertifizierten Ausgangsstoffen. Die Hochskalierungen auf den 15L Maßstab verlaufen ebenfalls sehr erfolgreich.
In einem weiteren Projekt wird derzeit untersucht, ob es möglich ist, das MDT mit den aktuell stark im Fokus stehenden immunonkologischen Methoden zu kombinieren. Das Ziel ist es hier, die autologen Zellen, die so behandelt werden, dass sie sich gegen den Tumor wenden zusätzlich magnetisch zu markieren, damit sie in der Tumorregion angereichert werden können, sodass diese Therapieform noch effizienter wird und die bisher bekannten Nebenwirkungen reduziert werden.
Auch hier konnten erste Erfolge erzielt werden. Mitarbeiter von SEON haben Nanopartikel entwickelt, die von den Immunzellen aufgenommen und anschließend mit Magnetfeldern manipuliert werden können. In der Zellkultur konnte außerdem gezeigt werden, dass weder die Vitalität dieser Zellen bzw. Zellhybride, noch deren Effizienz beeinträchtigt wurden.
Auf dem Gebiet der Diagnose von arteriosklerotischen Plaques und dem gezielten Wirkstofftransport wurden von SEON in den letzten Jahren jeweils unterschiedliche Nanopartikel entwickelt. Im Bereich der Bildgebung wird derzeit die pharmazeutische Produktion und eine präklinische Testung für SPIONs, die als Kontrastmittel für die Magnetresonanztomographie geeignet sind, sowie die sich daran anschließenden klinischen Phasen und die Zulassung vorbereitet.
Für die Therapie wurden erste Versuche an Kaninchen mit arteriosklerotischen Plaques in der abdominellen Aorta durchgeführt. SEON konnte dabei zeigen, dass es möglich ist, Nanopartikel in einer Arterie bei hoher Flussgeschwindigkeit mit einem externen Magneten anzureichern.
In weiteren Projekten beschäftigt sich SEON außerdem mit der Verbesserung der Diagnostik und Therapie von Sepsis. Ganz aktuell wird auch ein kostengünstiger und breit anwendbarer Test für die Diagnostik viraler Infektionen inklusive Covid-19 entwickelt.
Das Team um Prof. Alexiou zeigt mit seinen stark translational ausgerichteten Arbeiten die vielen Möglichkeiten die SPIONs in der biomedizinischen Anwendung bieten.
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